Ein Gast-Artikel von Jan Degner
Schweißperlen
auf der Stirn, nasse Achseln oder ein feuchter Händedruck – jeder kennt das
Gefühl, bei starker Hitze, nach sportlicher Betätigung oder bei Stress zu
schwitzen. Doch für etwa eine Million Menschen in Deutschland ist dieses Gefühl
auch bei Kälte oder in Ruhephasen präsent. Jene Betroffenen leiden an der sogenannten
Hyperhidrose.
„Bist du
aufgeregt? Deine Hände sind ganz feucht. Wasch´ sie doch mal!“ Solche
Kommentare hat Alex Meyer* häufig zu hören bekommen. Jahrelang litt der
Einzelhandelskaufmann aus Nürnberg unter schweißnassen sowie kalten Händen und
Füßen. Durch Kontakt zu seinen Klassenkameraden fiel ihm bereits im Alter von
12 Jahren auf, dass sein Schwitzen nicht normal war. Aus Angst vor Hänseleien
zog sich Alex immer mehr zurück. Dennoch blieben solche Sprüche wie oben nicht
aus.
Um dem ein
Ende zu bereiten, probierte er diverse Cremes und Salben aus. Mit jedem
Präparat, das der junge Mann ausprobierte, schwand zugleich die Hoffnung auf
Linderung. Was hingegen perfekt funktionierte, waren seine Vermeidungsstrategien.
„Meist war ich plötzlich verhindert, wenn ich anderen bei einer Verabschiedung
die Hand geben musste“, beschreibt der heute 30-Jährige. „War dies nicht
möglich, wusch ich mir kurz vorher noch schnell die Hände. Man wird mit der
Zeit Profi im Versteckspielen“, so Meyer weiter.
Dennoch gab
der gebürtige Bamberger nicht auf. Zuversichtlich suchte er seinen Hausarzt
auf, danach den Dermatologen. Diese konnten ihm allerdings nicht helfen und
taten seine Beschwerden zum Teil als „halb so schlimm“ ab. Doch damit wollte
sich Alex Meyer nicht abfinden. Durch diverse Internet-Foren stieß er auf einen
Arzt, welcher auf die Behandlung von krankhaftem Schwitzen und Erröten
spezialisiert ist.
In Dr.
Christoph Schick, Facharzt für Chirurgie und Leiter des Deutschen Hyperhidrosezentrums
DHHZ in München, hat Alex Meyer die Hilfe gefunden, die er seit so langer Zeit
gesucht hat. Dabei gehört die Transpiration zu den wichtigsten Funktionen des
menschlichen Körpers. Durch die Umsetzung von Nährstoffen entsteht Wärme. Um
vor Überhitzung zu schützen, kühlt uns Schweiß durch Verdunstung wieder ab.
„Einen viertel bis einen halben Liter schwitzt jeder Mensch im Schnitt pro
Tag“, erklärt Dr. Schick. Gesteuert wird dieser Vorgang durch den Sympathikus-Nerv
des vegetativen Nervensystems, welcher die Schweiß produzierenden Drüsen
anregt.“ Und genau hier sitzt das Problem. „Primäre Hyperhidrose ist eine
genetisch bedingte Steuerungsstörung. Der Sympathikus“, so der Chirurg, „regt
die Schweißdrüsen vermehrt an, was zu übermäßigem Schwitzen führt.“ Dadurch
transpirieren die Betroffenen bereits bei kühlen Temperaturen, geringer
Anstrengung oder bei Aufregung.
In Zahlen
bedeutet dies eine Schweißmenge von über 20 Mikrolitern pro Minute. Zur
Einteilung der Hyperhidrose wird diese in drei Schweregrade gegliedert:
Filmbildung, Tropfenbildung sowie Tropfen fallen herunter. Zudem ist die Beeinträchtigung
durch diese Krankheit immer sehr subjektiv. Entscheidend bei der Diagnose ist,
wie stark sich ein Patient in seiner Lebensqualität eingeschränkt fühlt. Daher genügen
oft eine Behandlung mit aluminiumhaltigen Deosprays, welche die Schweißdrüsen
durch Kristallbildung verstopfen oder Injektionen mit Botulinumtoxin, auch bekannt
als Botox. Bei stärkeren Ausprägungen wird häufig ein Elektrobad, die sog.
Leitungswasser-Iontophorese, verwendet.
In schweren
Fällen, und wenn wie im Falle von Alex Meyer, sämtliche Methoden erfolglos
ausprobiert wurden, übernehmen die Krankenkassen die Kosten einer Operation. Zu
den chirurgischen Methoden gehören u.a. die Schweißdrüsenexzision, die
subkutane Schweißdrüsensaugkürettage als auch das endoskopische transthorakale Sympathikus-Clipping
(ETSC). Alex Meyer hat sich für Letztere entschieden. Hier wird der
sympathische Grenzstrangnerv mit Titan-Klammern blockiert. Die fehlerhafte
Reizweiterleitung findet somit nicht mehr statt. Bis zu 600 Patienten werden
jährlich mit diesem Verfahren von Dr. Schick im DHHZ operiert.
Allerdings
ist eine Nerven-OP nicht frei von Risiken. So kann es beispielsweise zum
kompensatorischen Schwitzen oder zum Horner-Syndrom (Augenlidsteuerungsstörung)
kommen. Ersteres kommt jedoch immer vor, da die Reizweiterleitung durch die
Nervenabklemmung träge wird und der Befehl, das Schwitzen zu stoppen, verzögert
wird. Ein großer Vorteil der ETSC ist, dass die Metallklammern wieder entfernt
werden können und sich der Nerv regenerieren kann.
Als
Allheilmittel sieht Dr. Schick die ETS nicht. Manchen Patienten rät er sogar
aufgrund ihrer physiologischen und psychischen Verfassung ab, diese Methode zu
wählen. Trotz der Tatsache, dass die ETS keine einfache OP ist, war sie jedoch
für Alex Meyer genau das Richtige. „Wer so viel mitgemacht hat, der geht das
Risiko auch ein“, bekräftigt Meyer. „Nun kann ich anderen Menschen endlich
wieder die Hand schütteln, ohne mich schämen zu müssen. Das hat mir viel
Lebensqualität zurückgegeben.“
* Name
geändert
Zum Autor:
Jan Degner,
Jahrgang 1986, arbeitete als Zahnarzthelfer, ehe er an der Beruflichen Oberschule
in Nürnberg das Fachabitur nachholte. 2012 begann er an der Hochschule für angewandte
Wissenschaften in Ansbach sein Ressortjournalismus-Studium mit Schwerpunkt
Medizin. In der Abteilung für Kommunikation, Marketing & Kooperationen des Klinikverbunds
ANregiomed in Ansbach absolvierte er sein Praxissemester. Dort war er nach
seinem Praktikum weiterhin nebenberuflich tätig.
Wir sagen einen herzlichen Dank an Jan Degner für seinen Beitrag. Falls Sie weitere Fragen haben für sich oder Angehörige, nehmen Sie gerne mit mir und meinem Team Kontakt auf. Wir sind gerne für Sie da unter www.schwitzen.de oder direkt Tel 089 27272012. Rufen Sie einfach an.
Herzlich Ihr
PD Dr. Christoph Schick mit seinem Team des DHHZ